Architektur und Aha-Erlebnisse – Eindrücke einer Reise nach Boboyo

Stefanie Kerner für ident.africa in Kamerun
Eines der komplexesten Projekte von ident.africa e.V. ist der Bau einer Vorschule in Boboyo, als Ergebnis einer durch den Verein initiierten Kooperation zwischen der Universität von Maroua in Kamerun und der Architekturfakultät der RWTH Aachen. Gemeinsam erforschten die Studenten beider Hochschulen Potenziale traditioneller Baustoffe und Baumethoden. Nachdem die daraus entstandenen Experimentalbauten getestet wurden, soll nach dem Konzept eine Vorschule in Boboyo entstehen.

Das Projekt hat auch die Architekturstudentin Stefanie Kerner begeistert. Sie hat drei Monate als Praktikantin in Kamerun verbracht und dort u.a. die Arbeit von ident.africa kennen gelernt. Ihre persönlichen Erlebnissen hat sie für ident.africa, sowie dessen Freunde und Förderer in einem ausführlichem Bericht zusammengefasst:

Als Architekturstudentin besuchte ich im Mai 2012 eine Veranstaltung am Institut für Denkmalpflege an der RWTH Aachen. Acht Studenten haben über ihren Aufenthalt im Norden Kameruns berichtet, wo sie gemeinsam mit Studenten des l´Institut supérieur du Sahel in Maroua den Grundstein für das Projekt „Eine Vorschule für Boboyo“ gelegt haben. Ich wusste nicht sehr viel über Kamerun, aber dass was meine Kommilitonen erzählten und was sie auf den Bildern zeigten reizte mich. Eine außergewöhnliche Landschaft, eine mir unbekannte Architektursprache und eine herzliche Afrikanerin, die mit den deutschen Studenten zusammen über offenem Feuer kocht und sie freudig in die Arme schließt. Nicht nur das Projekt, bei dem es darum geht mit traditionellen lokalen Baumaterialien und -techniken in Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern ein sozial-kulturelles Zentrum zu schaffen und dabei ihr Wissen weiter zu tragen, begeisterte mich. Auch die Gelassenheit und die Lebensfreude mit der man so offensichtlich in Kamerun sein Tagewerk verrichtet, machte mich genauso neugierig auf das Land wie die zerklüftet, karge Hügellandschaft, die so völlig fremd auf mich wirkte.

Mir war klar, dass ich auch unabhängig von dem Projekt nach Kamerun fliegen würde, um sowohl die Menschen, ihre Kultur und ihr Land aber auch die Vielfalt ihrer traditionellen Architektur für mich zu entdecken.
Nach Abschluss meines Bachelorstudiums an der RWTH Aachen habe ich mir mit großer Unterstützung von ident.africa e.V. diesen Traum erfüllt. Kurzfristig haben Fred-Eric Essam, Gründer und Vorsitzender von ident.africa, und Taybe Nagba, der einzige Architekt in Maroua, ein dreimonatiges Praktikum im Architekturbüro für mich organisiert.

Stefanie Kerner für ident.africa in BoboyoUnd so bin ich nur fünf Monate nach meiner ersten Begegnung mit ident.africa Mitte Oktober 2012 am Flughafen in Douala, dem wirtschaftlichen Zentrum im Süden Kameruns, gelandet. Von dort aus ging es nach Norden. Zunächst sind wir, Fred-Eric Essam und ich, einige Tage durch die nördlichen Gebiete Kameruns gefahren und haben direkt mit den Menschen und den Projektbeteiligten von ident.africa e.V. vor Ort über ihre Probleme, Wünsche und Hoffnungen gesprochen. Dadurch habe ich bereits Einblicke in den traditionellen Lebensalltag der Dorfbewohner bekommen, die mich tief bewegt und geprägt haben. In Boboyo selbst, dem Haupteinsatzort von ident.africa e.V. wurden wir von tanzenden und singenden Frauen mit Begeisterung in Empfang genommen. Hier habe ich nun auch die herzliche Afrikanerin auf den Fotos in Aachen persönlich kennen gelernt. Ihr Name ist Mama Marie und ihre Nähstube ist eines der Projekte, die ident.africa in Boboyo bereits umgesetzt hat. Der kleine Betrieb bietet Ausbildungsplätze für zehn junge Mädchen. Neben der Nähstube arbeitet Mama Marie auch an der Aufzucht einer Hühnerfarm, die von den Frauen des Dorfes gemeinschaftlich bewirtschaftet werden soll, um so die Rolle der Frau in der traditionell sehr männer-domminierten Gesellschaft zu stärken.

Reise nach Boboyoident.africa e.V. setzt sich für den Ausbau des Bildungssystems, insbesondere auch für Mädchen, im Norden Kameruns ein. Die Organisation vergibt Stipendien, organisiert Schulpatenschaften und finanziert Schulbänke, Unterrichtsmaterialien und Computer. Darüber hinaus baut ident.africa auch die Gesundheitsversorgung und Infrastruktur in Nord Kamerun aus. Eines der wichtigsten Projekte ist die Stromversorgung der ländlichen Bevölkerung. Licht auf Knopfdruck ist für uns Europäer eine Selbstverständlichkeit. In Kamerun ist das nicht der Fall; dort wurde mir bewusst, welche Rolle Elektrizität für die Entwicklung eines Landes spielt.

Meine Zeit in Kamerun war von vielen solcher Aha-Erlebnisse geprägt. Und so habe ich neben zahlreichen Einblicken in eine ganz besondere und vielfältige Bautypologie, die traditionell optimal auf die lokalen Gegebenheiten in der Sahelzone angepasst ist, auch einiges an Lebenserfahrung gesammelt.
Mein Aufenthalt in Kamerun zeigte mir deutlich, dass eine engagierte Mitarbeit vor Ort, wie sie von ident.africa e.V. vorgelebt wird, als Hilfe zur Selbsthilfe der richtige Ansatz ist und ich werde mit meinem zweiten Aufenthalt vor Ort im November diesen Jahres versuchen das Projekt „Eine Vorschule für Boboyo“ genau in diesem Sinne weiter mit voran zu treiben.

Wir, das Team von ident.africa e.V., danken Stefanie für ihren Einsatz in Kamerun und für den ausführlichen Bericht. In einem Interview stand uns Stefanie zudem noch für weitere Fragen zur Verfügung: zum Interview